Maximilian Bircher-Benner, Mediziner, Ernährungsreformer und Seelenarzt 22.08.1867–†24.01.1939

Der Promi-Arzt
Das Sanatorium „Lebendige Kraft“ und das dort exekutierte Therapie-Konzept waren damals der Renner bei kranken oder kränkelnden Grossbürgern. Und Anstaltsleiter Bircher-Benner, der später auch den Dirigenten Wilhelm Furtwängler, die Pianistin Elly Ney oder den König von Siam behandelte, avancierte zur Berühmtheit und ersten Adresse aller, deren Magen revoltierte, oder deren Darm verstopft war.
Heute vor 150 Jahren als Sohn eines Notars in Aarau geboren, absolvierte Bircher-Benner ein Medizinstudium in Zürich und Berlin und liess sich am 1. Dezember 1891 als junger Arzt im Industriequartier Zürich-Aussersihl nieder.
Erlebte er dort, bei seinen Patienten aus den verarmten Schichten, noch Not und zehrende Unterernährung, so traten ihm in seinem Sanatorium, das er 1904 mit den Geldern von Ehefrau Elisabeth Benner in der Keltenstrasse 8 einrichtete, Menschen mit Übersättigung entgegen – sie hatten mit Fleisch und Fett, kräftigen Saucen, scharfen Gewürzen, mit Kaffee, Alkohol und Rauchwaren ihre Körper malträtiert. Zu viel, zu viel! All dieses Teufelszeug stand im Sanatorium „Lebendige Kraft“ auf der Giftliste.
In Bircher-Benners Augen litten die Menschen des angehenden 20. Jahrhunderts unter der Zivilisationskrankheit einer unordentlichen Lebensführung – deshalb mahnte er stählerne Disziplin im Anstaltsalltag an.

Die Älpler-Kost
Gerne erinnerte sich Bircher-Benner dabei an die Essgewohnheiten der Hirten und Älpler aus alten Zeiten. Er schrieb: «Ihre tägliche Ernährung war sehr einfach und bestand oft aus einem Gericht, das die ganze Mahlzeit ausmachte. … Zur täglichen Nahrung gehörten vor allem: Getreidebrei (Hafer, Hirse, Gerste), Kraut (besonders Mangold und Kohl), Rüben und Wurzelgemüse, Bohnen, Milch (frische und eingedickte) und Obst (frisch und gedörrt). Fleisch kam gelegentlich auf den Tisch, wenn ein altes Haustier abgetan werden musste und wenn man Jagdbeute heimbrachte. Dies war jedoch ein eher seltenes Ereignis.»
In diesem Sinne waren auch im Sanatorium «Lebendige Kraft» die Mahlzeiten eher frugal gehalten; Fleisch und Fettreiches und Fritiertes fehlte ganz. Die bürgerliche Welt von Wurst und Speck und Schweinebauch, wo Vater am Sonntag das erste Stück vom saftigen Braten zustand, blieb aussen vor. Das Bircher-Müesli, das den Ruf Bircher-Benners in die Welt hinaustragen sollte, aber war das Mass aller Dinge und wurde morgens und abends serviert, zusammen mit Vollkornbrot, Butter und Kräutertee. «D’Spys», wie Bircher-Benner seinen Ernährungshit schlicht nannte, bestand aus einem gestrichenen Esslöffel Haferflocken (höchstens! 12 Stunden vorgeweicht in drei Esslöffeln Wasser), dem Saft einer halben Zitrone und einem Esslöffel gezuckerter Kondensmilch. Den Hauptbestandteil aber bildeten 2 bis 3 kleine Äpfel mit Haut und Kerngehäuse, geraffelt, und darüber gestreut ein Löffelchen Nüsse. Fertig. Bircher-Benner verwies mit Stolz darauf, dass dieses Mahl so gut und bekömmlich und ausgewogen sei wie Muttermilch.
Quelle: Basler Zeitung 22.08.17